Pluderhose

English version below

Text by Jannik Prüser, for further information contact @cartagiacos, j.prueser@web.de

Photos by Historisches Museum Hannover, JanWillem.Huntebrinker@hannover-stadt.de

Teure Seide und ein mysteriöser Besitzer - eine Pluderhose aus dem 16. Jahrhundert

Im Frühjahr 2023 hatten zwei Mitglieder des Moritz-Teams die Möglichkeit, eine Pluderhose (Inventarnummer WM II 3.) aus dem späten 16. Jahrhundert zu sichten. Die Pluderhose ist Teil der Garderobe eines „Einbecker Patriziers“, die wie die Kleidung von Herzog Moritz in Hannover aufbewahrt wird. Ob diese tatsächlich in Einbeck gefertigt und von einem Patrizier getragen wurden, lässt sich bisher nicht nachweisen. Möglich ist, dass sie Erich II. von Braunschweig-Lüneburg gehörten, der sie in Einbeck als Pfand für ein Darlehn der Stadt übergab. Erich II. war ein Onkel von Moritz von Sachsen-Lauenburg, was eine weitere Untersuchung der „Einbecker Patrizierkleidung” umso interessanter machen würde.

Was ist eine Pluderhose?

Der Begriff Pluderhose wurde im späten 16. Jahrhundert für besonders weite Hosen verwendet. Es konnte also jede Hose eine „Pluderhose” sein, wenn sie nur ausreichend weit war und aus vielen Metern Stoff gefertigt wurde. Heutzutage wird der Begriff jedoch hauptsächlich für eine besondere Form von Hosen dieser Art benutzt, die aus zwei Lagen besteht; dem sogenannten „Pludergesäß”, also einer äußeren Hose mit vielen vertikalen Streifen - und dem “Durchzug”, dem Futter, das zwischen den Streifen des Gesäßes hervorquillt.

Die Pluderhose (WM II 3)

Die Hose besteht aus einem “Pludergesäß” und einem “Durchzug”, beide aus Seide gefertigt. Die Silhouette der Hose wird von den beiden horizontalen Bänderreihen des Gesäßes bestimmt, zwischen denen Beutel aus Seidenstoff hervorquellen. Dabei reicht die erste Bänderreihe von der Taille bis zur Hüfte, die zweite von der Hüfte bis knapp oberhalb des Knies. Sie wurden aus dunkler Seide zugeschnitten, der Stoff an den Kanten umgelegt und mit schwarzer Wolle abgefüttert. Zudem sind sie in regelmäßigen Abständen eingeschnitten, wobei die Schnitte bis an das Wollfutter reichen. Zusätzlich wurden die Bänder mit je vier Reihen schwarzer Borte besetzt, die aber fast vollständig verloren ist. Die Seidenbeutel, die zwischen den Bändern hervortreten, sind mithilfe von Abnähern und Wolleinlagen in Form gebracht. Dadurch hängen sie nicht schlaff zwischen den Bändern herunter, sondern stehen seitlich ab. Die Seide hat sich mit der Zeit braun-gräulich verfärbt und war einst möglicherweise olivgrün.

Die Pluderhose liegt an der Hüfte eng an, ebenso wie im Schritt und am Gesäß. Für ein bequemeres Tragegefühl sind die Nähte am Gesäß vermutlich mit einem breiten, weichen Lederstreifen abgefüttert. Ein ebensolcher findet sich an einer anderen Pluderhose der Einbecker Sammlung, wurde hier aber vermutlich entfernt, als die hintere Gesäßnaht aufgetrennt wurde. Ansonsten ist die Pluderhose so gut wie ungefüttert - nur um die Hüfte und am Hosenschlitz findet sich Futter aus grobem Leinenstoff. Geschlossen wurde die Pluderhose mit einem Paar Nestellöchern auf der linken Seite des Hosenschlitzes, die dazugehörige Schnur war vermutlich direkt an der Pluderhose befestigt. Der Hosenschlitz wird durch eine Schamkapsel verdeckt, aus der mehrere Beutel Seidenstoffs herausragen. Verstärkt ist die Schamkapsel mit einer Schicht Wolle, ein zusätzliches Leinenfutter wurde vermutlich später herausgeschnitten. Weiter unten geht die Kapsel in einen breiten Zwickel über, der bis zwischen die Beine reicht - dadurch wird dem Träger in der engen Hose die nötige Bewegungsfreiheit verliehen. Die Schamkapsel verfügt ebenso über ein Paar Nestellöcher und wurde vermutlich direkt am Wams befestigt, nicht an der Hose. Dementsprechenden konnte diese Pluderhose auch nicht problemlos ohne Wams getragen werden.

Durch mehrere Paar Nestellöcher im Taillenbund konnte die Hose mit einem Wams zusammengeschnürt werden. Ein dazugehöriges Wams hat sich in der Einbecker Sammlung jedoch nicht erhalten, die vorhandenen Wämser können aufgrund ihres angenähten Hüftwulstes nicht mit einer hautengen Pluderhose getragen werden.

Die Hose ist in einem sehr schlechten Erhaltungszustand.

Literatur: Alheidis von Rohr, Kleidung eines Patriziers aus Einbeck vom Ende des 16. Jahrhunderts, in: Waffen-und Kostümkunde, Deutscher Kunstverlag, 1976

Dies ist ein offenes Forschungsprojekt. Du weißt etwas, dass wir nicht wissen? Dann teile es uns bitte mit!

Text by Jannik Prüser, for further information contact @cartagiacos, j.prueser@web.de

Photos by Historisches Museum Hannover, JanWillem.Huntebrinker@hannover-stadt.de

Expensive silk and a mysterious owner - a pair of late 16th century Pluderhosen

In spring of 2023, two members of the “Moritz aus Buxtehude” project had the opportunity to examine a pair of Pluderhosen (inventory number W. M. II. 3.) from the 16th century. These Pluderhosen were once part of the “wardrobe of the Patrician from Einbeck”. This name was given to a collection of nine valuable garments from the 16th century, that were once stored in the northern German city of Einbeck. It is still unknown if these clothes were actually made in Einbeck or worn by a rich Patrician. It is possible that instead the clothes once belonged to Erich II. of Brunswick-Lüneburg, who gave them to the city of Einbeck in exchange for a loan. Given the fact that Erich II. was an uncle of Duke Moritz of Sachsen-Lauenburg, examining a part of his wardrobe is fascinating.

 

What is a Pluderhose?

In the late 16th century, the term Pluderhose was used to describe any kind of wide, baggy breeches. Today, the term in mainly used to describe one specific type of Pluderhosen, breeches defined by two layers: an outer shell called the “Pludergesäß” (baggy breeches) made out of several panes, and a baggy lining called the “Durchzug” (draw-through) that was hanging out between the panes of the Pludergesäß. So both “Pluderhose” and “Pludergesäß” would be historically accurate terms for the breeches in the Einbeck collection.

Pluderhose (WM II 3)

The outer and inner layer (Pludergesäß and Durchzug) of the Pluderhosen are made of silk taffeta. They feature two rows of panes - the upper one reaching from the natural waist to the hips, the lower row reaching from the hips to right above the knee. The are made of dark silk taffeta and faced with dense black wool, the edges are evenly clipped. Originally, each of these was decorated with four rows of trim. The silk bags emerging between the panes are shaped by an intricate pattern of darts and interlined with coarse linen and wool. Due to these reinforcements, the bags do not hang down loosely, but actually stand out horizontally.

The Pluderhosen are tight-fitting around the hips and in the crotch area. For additional comfort, a soft strip of leather was used to cover the bulky seams at center back. The leather strip was removed when the center back seam was ripped open during the 19th or 20th century. Except of this leather strip and a linen lining around the hips, the Pluderhosen are almost unlined. The breeches are closed with a set of eyelet holes on the left side of the front opening, the corresponding string was once pushed directly through the fabric on the other side of the opening. The opening of the breeches is covered by a large codpiece. It extends into a broad gusset that reaches all the way down between the legs of the wearer - thus giving him much needed mobility in the tight-fitting breeches. The Codpiece was once tied directly to a doublet with a pair of eyelet holes.

Several pairs of eyelet holes were also sewn into the waistband of the Pluderhosen. These eyelet holes were used to attach the breeches to a doublet, yet the corresponding doublet did not survive, unlike the Pluderhosen.

The pants are in a very poor state of preservation.

References: Alheidis von Rohr, Kleidung eines Patriziers aus Einbeck vom Ende des 16. Jahrhunderts, in: Waffen-und Kostümkunde, Deutscher Kunstverlag, 1976

This is an open research project. You know something we don't? Then please let us know!

Der vermeintliche Besitzer der Pluderhose, the presumed owner of the Pluderhose

Erich II., Herzog zu Braunschweig, Wolfenbüttel und Calenberg (1528-1584)

Anonym, um 1573, Bayerische Staatsgemäldesammlung München, Inv. Nr. 3114

Pluderhose

Johann von Jüdden (1541-1588)

Köln, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Gemäldesammlung, Inv.-Nr. WRM 2350

Maya Brockhaus