Schnitt / pattern Nr. 3

English version below

Text by Jannik Prüser, for further information contact @cartagiacos, j.prueser@web.de

Patterns made by Hochschule Hannover, Fakultät III - Medien, Information und Design

Photos by Historisches Museum Hannover, JanWillem.Huntebrinker@hannover-stadt.de

Download Schnittmuster Sommerwams

Download pattern rosé summer doublet

Schnitt für ein „leibfarbenes“ Sommerwams (WM II 15)

Der vorliegende Schnitt wurde von einem im Inventar des Nachlasses bezeichneten „leibfarbenen Sommerwams“ abgenommen. Herzog Moritz muss dieses zum Zeitpunkt seines Todes schon viele Jahre besessen haben - im Inventar von 1612 wird das Wams bereits als alt beschrieben. Tatsächlich unterscheidet es sich in vielen Details von anderen Kleidungsstücken im Nachlass des Herzogs, was einen früheren Entstehungszeitraum vermuten lässt. Es hat lange, weite Ärmel und einen hohen Kragen, außerdem wurde an der Taille ein Paar Hüftwülste angebracht. Entsprechend der Mode der Zeit verfügt es über einen Gansbauch, der hier allerdings eher dezent ausfällt. Verziert wurde das Sommerwams mit einer schmalen silbernen Borte, die Nähte und Kanten bedeckte.

Während viele Wämser des späten 16. Jahrhunderts aus mehreren Lagen Stoff gefertigt wurden, ist dieses vergleichsweise dünn und besteht nur aus einer Schicht rosafarbener Seide sowie Leinen als Futter. Zusätzliches Material verarbeitete der Schneider nur im Kragen, welchen er durch mehrere pikierte Lagen Leinen versteifte. Über das ganze Wams verteilt wurden lange Schlitze durch die beiden Stofflagen geschnitten, eingefasst mit Streifen der „leibfarbenen“ Seide. Der Stoff hat im Laufe der Jahrhunderte seine Farbe fast vollständig verloren, die lachsfarbenen Ergänzungen stammen aus einer späteren Restaurierung. Es ist denkbar, dass das Wams ursprünglich purpurfarben war, was zur Farbe des verwendeten und gut sichtbaren Nähfadens sowie dem Wollstoff zur Versteifung der Knopflöcher passen würde. Verschlossen wurde es mit Posamentenknöpfen, bestehend aus Holzkugeln, die mit grünen und silbernen Fäden bespannt wurden. 

Ungewöhnlich für ein Wams dieser Zeit: es besitzt an der Taille keine Schöße, dafür zwei gepolsterte Hüftwülste, die ursprünglich einmal eine dazugehörige Hose auspolstern sollten. Dabei ist der verwendete Leinenstoff für die Hüftwülste deutlich feiner als das Leinen, das als Futter für das Wams fungiert - vermutlich, um ein Herausquellen des Füllmaterials zu verhindern. Auffällig ist außerdem die Konstruktion des Gansbauchs; während Gansbäuche normalerweise in das Futter eines Wamses eingesteppt wurden, sind hier separate “Gansbauchkissen” gefertigt, die erst am Ende des Nähprozesses an der Innenseite des Wamses festgenäht wurden.

Leider ist das Wams in einem sehr schlechten Erhaltungszustand.

Anmerkung

Es muss angemerkt werden, dass Jahrhunderte der unsachgemäßen Lagerung die Form des Wamses verändert haben, die vorliegenden Schnitte repräsentieren die aktuelle Form und weichen vermutlich von den Schnittmustern ab, die Moritz Schneider vor über 400 Jahren benutzte. Außerdem haben vergangene Restaurationsmaßnahmen das Erscheinungsbild des Wamses stark beeinflusst.

Dies ist ein offenes Forschungsprojekt. Du weißt etwas, dass wir nicht wissen? Dann teile es uns bitte mit!


Pattern for a rosé summer doublet (WM II 15)

Text by Jannik Prüser, for further information contact @cartagiacos, j.prueser@web.de

This pattern is based on a rosé, so-called “summer doublet”, that might have been in Duke Moritz´ possession for a long time at the point of his death - it's described as “old” in the inventory of 1612. The doublet features wide, overly long sleeves, a high collar (the back collar being “grown on”) and a pair of hip rolls called ”Wülste” in German. Matching the fashion of the late 16th century, the doublet was made with a peascod belly, even though this example is quite small. As decoration, large amounts of silver trim were used, covering most of the seams.

While many doublets from the late 16th century are made with several layers of fabric, this summer doublet is very thin: only one layer of silk and one layer of linen lining were used. Interlining only exists in the collar, which is stiffened with several layers of pad stitched linen. The sleeves and body of the doublet are heavily slashed - the slashes are bound with strips made of the same silk that was used as top fabric. The silk has lost most of its original color, appearing almost beige now; it might have been crimson originally. The salmon colored silk that now covers large areas of the doublet was added during a conservation process in the 20th century. The doublet is closed with a row of buttons, made from wooden beads covered in green and silver silk yarn.

Instead of skirts, a pair of padded hip rolls is attached to the waist of the doublet, once meant to pad out a pair of breeches worn with the doublet. The linen used for the hip rolls is very dense compared to the linen used to line the doublet - potentially to prevent the wool padding from squeezing out of the hip roll. Another odd detail about this doublet is the construction of the peascod belly; instead of being directly pad stitched to the lining of the doublet, the peascod belly consists of two separate padded “pillows” that were simply whip stitched to the inside of the doublet.

Unfortunately, the doublet is in a very poor state of preservation.

Note

It should be noted that centuries of improper storage changed the shape of the summer doublet - this pattern shows the current shape of the garment and might be different from the pattern used by the tailor over 400 years ago. Also, the appearance of this doublet was heavily altered during conservation in the 20th century.

This is an open research project. You know something we don't? Then please let us know!

Maya Brockhaus